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„Sei nicht traurig, Sterben ist nicht schwer“

Vor dem Hintergrund des Welthospiztages am 8.Oktober erzählen Ehrenamtliche des ambulanten Hospizdienstes des ASB Region Mannheim/Rhein-Neckar von ihren Erfahrungen und Begegnungen.

Christine Dettmann, Marion Luksch und Heidi Ankenbrand engagieren sich als ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen beim ASB Region Mannheim/Rhein-Neckar. So unterschiedlich ihre Erlebnisse im Umgang mit schwer kranken und sterbenden Menschen auch sind, einig sind sie sich, dass sie sehr viel zurückbekommen. An Dankbarkeit, Lebenserfahrung und innigen Momenten, die auch ihr eigenes Leben prägen.

„Wir werden dem nicht entgehen“ 

Heidi Ankenbrand ist neu im Team. Sie absolvierte 2019 beim ASB Region Mannheim/Rhein-Neckar den Lehrgang zur Hospizbegleiterin. „Das Thema hat mich schon als Kind interessiert“, erzählt die 44-jährige Sozialarbeiterin. Aufgewachsen ist sie in einem kleinen Dorf, dort sei der Umgang mit dem Tod eher natürlich und selbstverständlich gewesen. „Sterben und Tod, das gehört zum Leben“, ergänzt sie, „wir werden dem nicht entgehen“. „Das ist eine Seltenheit“, sagt Christine Dettmann, „in unserer Gesellschaft wird das Thema Tod immer noch verdrängt“. Die 67-Jährige ist eine Frau der ersten Stunde beim ambulanten Hospizdienst. Sie hat schon viele Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet. Für sie ist es wichtig, dass alles geregelt ist und die Sterbenden gut gehen können, ohne noch „offene Rechnungen“ zu haben. Gerade da könne eine Hospizbegleitung oft helfen. „Das ist nicht immer möglich“, ergänzt Marion Luksch, „aber manchmal sind es schon Kleinigkeiten, die viel bewirken“. Die 64-Jährige engagiert sich ebenfalls seit Jahrzehnten in der Hospizbewegung. Offen und aufrichtig mit den Betroffenen aber auch mit den Angehörigen umzugehen ist ihr ein besonderes Anliegen. „Ehrlich bleiben bis zum Schluss“, sagt sie und erinnert sich an die Begleitung einer Obdachlosen auf einer Palliativstation. „Die Frau hatte das Elend im Gepäck“, erzählt sie, aber gemeinsam sei es gelungen, vieles aufzuarbeiten. „Ändern konnte ich ihr Leben nicht mehr“, sagt Marion Luksch, „aber ihr helfen, vieles besser zu verstehen“. „Diese Frau“, meint sie nachdenklich, „werde ich nie vergessen.

„Unsere Aufgabe ist es, alles auszuhalten“

Es ist nicht leicht, loszulassen. Es ist auch für die Ehrenamtlichen schwer, sich nach einer langen und intensiven Begleitung zu verabschieden. Christine Dettmann erinnert sich an eine Frau, die sie jahrelang begleitet hat. Noch heute kommen ihr die Tränen. Diese Frau habe dann zu ihr gesagt: „Sei nicht traurig, Sterben ist nicht schwer“. Es sind Begegnungen, die unvergessen bleiben. „Wir dürfen auch traurig sein“, ergänzt Heidi Ankenbrand. Sie begleitet seit Monaten eine mittlerweile 86-Jährige auf ihrem letzten Weg. „Die Gespräche mit ihr geben mir so viel“, erzählt sie, „sie ist so undramatisch, humorvoll, sie hat keine Rechnungen offen und ich kann so viel von ihr lernen“. Es ist ihre erste Begleitung als Ehrenamtliche und sie freut sich auf jedes Treffen mit der alten Dame. „Ich werde die Frau nie vergessen“, sagt Heidi Ankenbrand, „und ja, ich werde trauern, wenn sie stirbt“. Es ist eine Gratwanderung zwischen emotionaler Zuwendung und professioneller Distanz. „Ich putze mir vor jedem Besuch vor der Tür gründlich die Schuhe ab und lasse mich selbst draußen“, erzählt Christine Dettmann,“ das hilft mir, Abstand zu gewinnen“. Später ginge sie dann wieder in ihr eigenes Leben zurück. „Mir ist es wichtig, mich vor jedem Gespräch zu stärken“, verrät Marion Luksch, „ich esse und trinke und ziehe die Armbanduhr aus“. So habe sie Zeit und Ruhe, um sich ganz auf den anderen Menschen einzulassen.

„Zuhören und sich selbst zurücknehmen, das ist das Wichtigste“

Marion Luksch öffnet Türen auf der Palliativstation. Das ist für sie fast ein Ritual. „Ich stehe dann in der offenen Tür und warte erst einmal ein wenig, damit ich mich ganz auf den anderen Menschen einlassen kann“. Abwarten, zuhören oder auch gemeinsam schweigen, sich selbst zurücknehmen und das Gegenüber in den Mittelpunkt stellen, das seien die entscheidenden Dinge, da sind sich die drei Ehrenamtlichen einig. Sie erfahren viel Dankbarkeit; von den Sterbenden aber auch von Angehörigen. „Viele wollen uns dann etwas schenken oder Geld geben“, erzählt Christine Dettmann. Sie lehnt das strikt ab, die Begleitung sei eine ehrenamtliche Aufgabe. Manchmal allerdings wünscht sie sich was, „ich sage dann, wenn ihr auf der anderen Seite seid, dann könnt ihr mir ab und zu die Wolken schieben“. Bei der Hochzeit ihres Sohnes habe es furchtbar geregnet, „da habe ich ganz intensiv um schönes Wetter gebeten“. Als sie aus der Kirche kamen, habe dann plötzlich die Sonne geschienen. „Ich weiß schon, wie sich das anhört“, meint sie schmunzelnd, „aber wir wissen ja nicht, was sein wird, nach dem Tod“.

In schweren Stunden nicht allein sein – der ambulante Hospizdienst

Den ambulanten Hospizdienst des ASB Region Mannheim/Rhein-Neckar gibt es seit 1997. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden begleiten schwer kranke und sterbende Menschen sowie ihre Angehörigen. In der Beratungsstelle erhalten Betroffene Hilfe und Informationen. Der ambulante Hospizdienst des ASB Region Mannheim/Rhein-Neckar arbeitet eng mit den Anbietern der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) zusammen und ist Teil des regionalen Netzwerkes in der Rhein-Neckar Region. Am 21. und 22. Oktober findet in den Räumen des ambulanten Hospizdienstes in der Edisonstraße in Mannheim-Käfertal das nächste Orientierungsseminar statt. Dazu sind Interessierte herzlich eingeladen, eine schriftliche Anmeldung unter hospiz@asb-rhein-neckar.de ist erforderlich. Weitere Informationen unter: www.asb-rhein-neckar.de